Seit dem World Humanitarian Summit 2016 hat der Triple Nexus eine hohe Priorität in der humanitären Reformdebatte. Erklärtes Ziel ist es, humanitäre Hilfe mit Entwicklungszusammenarbeit und Friedensförderung zu verknüpfen. Doch immer wieder mangelt es in der zumeist abstrakten Debatte wie auch in der Forschung an Erfahrungen aus der Praxis. Dem wollte die vom Centre for Humanitarian Action (CHA) ausgerichtete zweite Veranstaltung zum Triple Nexus entgegenwirken und das konkrete Beispiel Mali diskutieren. Vertreter*innen von international tätigen NGOs, dem Auswärtigen Amt (AA), aus der Friedensarbeit und verschiedener Think Tanks nahmen an der Veranstaltung teil.
Why combining a faulty engine, a faulty wing and a faulty propeller? The plane won’t fly until the problems are addressed.
Anaïde Nahikian zum Triple Nexus in Mali
Anaïde Nahikian von der Harvard Humanitarian Initiative (HHI) und Ko-Autorin der Studie Realities and Myths of the Triple Nexus – Local Perspectives on Peacebuilding, Development, and Humanitarian Action in Mali stellte die Ergebnisse ihrer Arbeit vor. Basierend auf 130 Interviews, die zwischen Dezember 2018 und März 2019 in Bamako und Zentralmali mit verschiedenen Stakeholdern geführt wurden, kommt die qualitative Studie zu dem Ergebnis, dass der Triple-Nexus-Ansatz in Mali kontraproduktiv ist und nicht die avisierten Synergien seiner drei Säulen realisieren kann. Darüber hinaus würde der Triple Nexus substanzielle Risiken für unabhängig agierende humanitäre Akteure beinhalten. Zu den Hauptgründen zählen hier drei bereits in sich relativ dysfunktionale Sektoren der humanitären Hilfe, der Entwicklungszusammenarbeit sowie einer Friedensarbeit in Mali. Insbesondere Entwicklungsprogramme und „Friedensansätze“ basieren stark auf externen sicherheits- und migrationspolitischen Interessen und setzen so eine politische Agenda, welche mit humanitären Prinzipien schwerlich vereinbar ist. Internationale Bemühungen hätten zudem nicht ausreichend die malische Bevölkerung in ihre Planungs- und Implementierungsprozesse eingebunden und der malische Staat sei eher substituiert als empowert worden.
Coordination in Mali can only be described as a deadlock.
Andrea Steinke zum Triple Nexus in Mali
Andrea Steinke, CHA-Mitarbeiterin und Projektleiterin zum Triple Nexus, ergänzte als Panelistin die Eindrücke der HHI-Studie durch eigene Forschungsergebnisse. Ihr Input zielte im Besonderen auf die Folgen des Triple-Nexus-Ansatzes auf Koordinierung und Finanzierung humanitärer Interventionen in Mali ab. In Mali, so Andrea Steinke, hat der Anspruch der verstärkten Vernetzung humanitärer Akteure mit Entwicklungs- und Friedensinitiativen sich in sein Gegenteil verkehrt. Der hoch sensible Kontext mit einer Vielzahl militärischer Akteure mit verschiedenen strategischen Interessenslagen, seien es Migrationsabwehr, Sezessionsbestrebungen oder aber Terrorismusbekämpfung, hat die verschiedenen Bereiche noch weiter desintegriert. Besonders die humanitären Akteure fürchten durch die verstärkte Zusammenarbeit mit militärischen Akteuren, die UN-Mission MINUSMA eingeschlossen, ihre Arbeit einem Versicherheitlichungsparadigma zu unterstellen und dadurch den Zugang zu und das Vertrauen von betroffenen Communities zu verlieren.
Welche Erkenntnisse zum Triple Nexus können über das Fallbeispiel Mali hinaus mitgenommen werden? Es wurden andere humanitäre Kontexte angesprochen, die zu weniger Kontroversen über die Koordinierung der verschiedenen Akteure geführt haben, wie beispielsweise im Südsudan und im Irak. In der angeregten Diskussion wurde ein weiteres Mal auf die Zentralität bedarfsorientierten humanitären Handelns, wie auch der stärkeren Einbindung von Akteur*innen auf lokaler und nationaler Ebene hingewiesen. Zu lange würden lokales Wissen und lokale Vorgehensweisen bereits ignoriert, was sich insbesondere im Kontext des Triple Nexus und einer Friedensarbeit rächt, die sich an nachhaltigen Konzepten eines „positive peace“ orientiert.
Einen Schlüssel zum Erfolg sieht Anaïde Nahikian in einem verantwortlich handelnden Staat, der für eine bessere wirtschaftliche Lage, weniger sozialer Ungleichheit und damit mehr Stabilität seinen Beitrag leistet. Welchen Beitrag humanitäre Organisationen hier leisten können und sollten, wurde kontrovers diskutiert.
Die erste CHA-Veranstaltung zum Triple Nexus fand im Juni 2019 in Berlin statt.
Ein Protokoll der Veranstaltung steht hier zum Download bereit.
Artikel Download: 2019: Emmanuel Tronc, Rob Grace, and Anaïde Nahikian: Realities and Myths of the Triple Nexus – Local Perspectives on Peacebuilding, Development, and Humanitarian Action in Mali. Harvard Humanitarian Initiative
Einer der Arbeitsschwerpunkte des Centre for Humanitarian Action (CHA) ist der Triple Nexus. Projektleiterin ist Andrea Steinke, die mit drei weiteren Kolleg*innen derzeit an einer Evaluierung für die Welthungerhilfe zum Triple Nexus arbeitet.
Die Harvard Humanitarian Initiative (HHI) ist ein akademisches Forschungszentrum an der Harvard University, das einen interdisziplinären Ansatz verfolgt, um das Verständnis der humanitären Hilfe zu fördern und evidenzbasierte Ansätze zu entwickeln.