Humanitarian Reflections: On the Basis of Needs Alone?2020-11-24T18:22:13+01:00

Humanitarian Reflections: On the Basis of Needs Alone?

Nach dem Grundsatz der Unparteilichkeit sollen Organisationen humanitäre Hilfe „nur nach dem Maß der Not“ leisten. Daher sind Bedarfsanalysen so wichtig für die humanitäre Hilfe. Jedoch wird eine universell-gültige Bedürfnishierarchie oft kritisiert, weil sie von außen auferlegt und kulturell nicht relevant oder angepasst sei.

Ist das Modell einer universell-gültigen Bedürfnishierarchie in Zeiten des Übergangs zu mehr Lokalisierung in der humanitären Hilfe noch angemessen? Zwingt die Rechenschaftspflicht gegenüber den betroffenen Bevölkerungsgruppen nicht auch dazu, darüber nachzudenken, wie bei der Priorisierung von Bedürfnissen den kulturellen und sozioökonomischen Realitäten vor Ort mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte? Und wie kann die humanitäre Hilfe vor einer Politisierung von Geberseite geschützt werden, wenn es keinen gemeinsamen Nenner gibt, der konsequent bestimmt, wo der Bedarf am größten ist?

Am 24. September 2020 luden das Centre for Humanitarian Action (CHA) und der Exzellenzcluster Africa Multiple der Universität Bayreuth zu einem virtuellen Rundgespräch ein, um diese Fragen zu diskutieren:

Humanitarian reflections – research meets practice

On the Basis of Needs Alone? Data Gathering, Impartiality and the Localisation of Humanitarian Action

Auf dem Podium diskutierten:

  • Prof Dr Joël Glasman, Historiker, Universität Bayreuth
  • Corinna Kreidler, Humanitarian advisor: food security, cash & voucher assistance, Foreign Commonwealth and Development Office (FCDO, ehemals DFID), Simbabwe
  • Claudia Ah Poe, Head of Needs Assessment and Targeting Unit, World Food Programme Rome
  • Diego Fernández Otegui, PhD Researcher, Universität Delaware

Moderation: Sonja Hövelmann, Centre for Humanitarian Action

Die vollständige Aufzeichnung des Webinars kann hier abgerufen werden:

Wenn Sie direkt zu den Inputs der Teilnehmer*innen navigieren möchten, klicken Sie bitte auf die folgenden Hyperlinks:

Diego Fernández Otegui, PhD Researcher an der Universität von Delaware, betonte, dass die Dichotomie zwischen universellen und kulturell angepassten Standards ungenau sei, dass es keine universellen Bedürfnisse gebe, da jeder Mensch einzigartig sei. Er setzte sich kritisch mit der Tatsache auseinander, dass Entwicklungshelfer*innen Annahmen treffen, die nicht unbedingt mit den Prioritäten übereinstimmen, die die Menschen in Not selbst setzen. Das Geschäftsmodell der Entwicklungszusammenarbeit benachteilige die Vielfalt, indem es für jeden Kontext dieselben Regeln anwendet. 

Prof Dr Joël Glasman von der Universität Bayreuth problematisierte die Diskrepanz zwischen der ständigen Referenz von Humanist*innen auf scheinbar objektive Zahlen und Werte und ihrer eigenen (selbst-)kritischen Betrachtung der oft geringen Qualität dieser Daten.

Aus der Sicht eine*r Praktiker*in beleuchtete Claudia Ah Poe, Head of Needs Assessment and Targeting Unit beim WFP, wie ihre Organisation Daten zur Bestimmung und Priorisierung humanitärer Bedarfe verwendet. Sie betonte, dass die Vergleichbarkeit zwischen Ländern wichtig sei und dass es keinen signifikanten Kontrast zwischen universellen Standards und einem kulturell angepassten Ansatz zur Priorisierung humanitärer Bedarfe gebe.  

Corinna Kreidler, Humanitarian advisor: food security, cash & voucher assistance beim FCDO in Simbabwe, wies darauf hin, dass universelle Standards eine allgemeine Vergleichbarkeit humanitärer Maßnahmen ermöglichen und eine Schutzmauer gegen politische Entscheidungen von Gebern oder Empfängerregierungen, aber auch gegen subjektive Entscheidungen von Mitarbeiter*innen humanitärer Organisationen bildeten.

Die Podiumsdiskussion wurde durch eine Q&A-Session ergänzt, die auch Fragen aus dem Live-Chat beinhaltete. Mehr als 40 Teilnehmer*innen nahmen an der Online-Veranstaltung teil.

Das Event war Teil der Veranstaltungsreihe „Humanitarian reflections – research meets practice“. Ziel der Reihe ist es, einen fruchtbaren Dialog zwischen Praktiker*innen und Forscher*innen in der humanitären Hilfe zu ermöglichen.

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